Augmented Qualitative Analysis (AQA)

Ab dem 1. Oktober 2025 startet SOWI IV „Augmented Qualitative Analysis“ (AQA) — ein Open-Source-Projekt, gefördert von Terra incognita, geleitet von Thomas Krause und Susanne Vogl; Sebastian Bornschlegl verstärkt das Team.

AQA knüpft an Bekanntes an: Gute qualitative Arbeit lebt von Gespräch und Reflexion. In Forschungsgruppen kreisen wir um einen Text, probieren Lesarten aus, widersprechen einander und prüfen, welche Alternativen oder latenten Strukturen sich zeigen. Genau daran baut AQA an. Es entsteht eine offene Umgebung, die diese Diskussionsrunde nachbildet — nur dass nun auch Sprachmodelle als disziplinierte Gegenüber einbezogen werden und der gesamte Austausch so festgehalten wird, dass Dritte den Gedankengang nachvollziehen können.

Von dort wird AQA zu praktischer Software statt bloßer Idee: Analystinnen und Analysten lesen, annotieren und codieren wie gewohnt; sie können ein oder mehrere Modelle einladen, Gegenlesarten vorzuschlagen, Randfälle sichtbar zu machen oder übersehene Muster zu zeigen. Der Dialog — zwischen Menschen, Texten und Modellen — bleibt vollständig unter Kontrolle der Forschenden und wird automatisch protokolliert, sodass interpretative Schritte nachvollziehbar und lehrbar bleiben, ohne den Prozess zur Blackbox zu machen. Für sensibles Material läuft AQA mit lokalen Modellen; für Methodenteile und Lehrzwecke exportiert es saubere, gut dokumentierte Ergebnisse, die zeigen, wie Schlussfolgerungen zustande kamen.

Wir entwickeln nicht nur eine Benutzeroberfläche. AQA bringt auch eine kuratierte Prompt-Bibliothek und Persona-Profile mit, die wie eingeübte Diskutanten funktionieren — Methodencoach, Advocatus Diaboli, Theorie-Scout, Codebook-Keeper. Jede Persona ist ein versioniertes Rezept: Regeln in Klartext, exemplarische Schritte und Leitplanken, gebündelt als wiederverwendbare Playbooks für lokale oder gehostete Modelle. Ergebnis: ein konsistentes, prüfbares Vorgehen. Persona wählen, Playbook laden — und das Modell kennt Rolle, Ton und Grenzen. Sprachmodelle schlagen vor; Forschende entscheiden.

Methodisch bleibt AQA in der Nähe von hermeneutischem Lesen, qualitativer Inhaltsanalyse und Grounded-Theory-Iteration. Der Mehrwert liegt in Struktur und Wiederholbarkeit: konkurrierende Deutungen werden früh und systematisch angeregt; Codierregeln und Ankerpassagen sind in verständlicher Sprache formuliert und direkt mit den Textstellen verknüpft, die sie motiviert haben; und wenn Regeln sich weiterentwickeln, lassen sich frühere Schritte gegen eingefrorene Stände erneut ausführen, um zu prüfen, ob Ergebnisse noch tragen. Ziel ist nicht, „die Interpretation an KI abzugeben“, sondern disziplinierte Skepsis zu stärken und den Weg vom Text zur Schlussfolgerung leichter prüf-, lehr- und wiederverwendbar zu machen.

Im Arbeitsalltag fühlt sich das schlicht an: eine schlanke Oberfläche zum Lesen, Prüfen, Abwägen und Exportieren; Playbooks, die echte Forschungsrhythmen treffen; und ein sinnvolles Leistungsmodell — kleine, lokal betreibbare Modelle für Routinen, optional größere Modelle, wenn sie klaren Zusatznutzen bringen. Es geht um bessere Gespräche über Texte, transparent genug für die Lehre und robust genug für Publikationen.

AQA wird von Terra incognita an der Universität Stuttgart gefördert. Projektleitung: Dr. Thomas Krause und Prof. Dr. Susanne Vogl (SOWI IV); zum Team gehört Sebastian Bornschlegl.

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